Mit Links das Leben meistern

Rund zehn bis 15 Prozent der Menschen sind Linkshänder – eine vorsichtige Schätzung, denn genaue statistische Erhebungen gibt es nicht. Das bedeutet allerdings trotzdem, dass in jeder Schulklasse oder Kindergartengruppe meist ein bis zwei Linkshänder dabei sind. Um denen das Leben in einer auf Rechts ausgerichteten Welt ein wenig zu erleichtern, können Eltern, Erzieher und Lehrer eine Menge tun.

 

War Linkshändigkeit früher ein Makel, den man mit Rohrstock, Fesseln und verbaler Missbilligung austreiben versuchte, interessiert sich heute die Wissenschaft mehr und mehr für die Menschen, die sich als Linkshänder in einer auf Rechtshändigkeit fixierten Welt zurechtfinden. Aus Makel wird plötzlich Potential – eines, das man allerdings früh erkennen und fördern sollte, damit die Linkshänder nicht versucht sind, ihre angeborene Händigkeit dem “Mainstream” anzupassen und auf die rechte Hand zu wecheln.

 

Wird heute kaum  noch ein Kind für seine Linkshändigkeit getadelt, so fällt doch auf, dass viele Lehrer und Erzieher sich nach wie vor schwer damit tun, umzudenken und die Händigkeit als angeboren zu akzeptieren, als etwas Sinnvolles und nicht als Laune der Natur. So erlebte ich es neulich, dass die Klassenlehrerin meiner Tochter – obwohl wir zu Schulbeginn über die Linkshändigkeit von Greta gesprochen hatten – sie bei der Begrüßung ermahnte, ihr doch die rechte Hand zu geben. Ich will keinen bösen Willen unterstellen, aber eine gewisse Unbedarftheit dann doch schon.

 

Die Bedeutung der Händigkeit

 

Für die normale Entwicklung der Händigkeit sind die Kindergartenzeit und die ersten Schuljahre von großer Bedeutung. Es geht speziell darum, dem Kind seine Händigkeit als etwas Normales und nicht als etwas Problematisches zu vermitteln. Kinder, die von links auf rechts umgeschult werden oder das selbst tun, weil sie sich anpassen wollen, leiden später häufig unter den Folgen. Denn die normale Händigkeit des Menschen ist schlichtweg Ausdruck der motorischen Dominanz im Gehirn, sprich das Dominieren der rechten oder der linken Gehirnhälfte. Das Gehirn braucht diese Dominanz um reibungslos zu funktionieren. Somit stellt eine Umschulung der Händigkeit immer auch einen Eingriff in unser Gehirn dar. Das kann zu Lernschwächen, Konzentrationsproblemen und psychischen Auffälligkeiten führen.

 

Händigkeit ist etwas naturgegebenes und Menschen, die mit Kindern arbeiten, sollten bemüht sein, das im Kindergarten- oder Schulalltag zu berücksichtigen. Um Linkshänder zu unterstützen, ist es wichtig, ihnen ein paar Hilfestellungen zu geben. Unter anderem bei der lockeren Haltung beim Malen und Schreiben, die durch eine besondere Stifthaltung und das Schrägdrehen des Blattes, auf dem die Kinder malen oder schreiben, ermöglicht wird. Bedeutung hat auch die Arbeitsplatzanordnung, die Sitzplatzordnung (das linkshändige Kind sollte stets auch links sitzen, damit es Platz für den Ellenbogen hat). Zeigt man einem linkshändigen Kind als Rechtshänder etwas, sollte man sich gegenüber, nicht daneben setzen.

 

Hilfen für Linkshänder

 

Genauso wichtig wie die Unterstützung der linkshändigen Kinder ist auch der Fokus darauf, ob sich hinter einem lernschwachen Kind eventuell ein umgeschulter Linkshänder verbirgt. Man könnte einigen Kindern viel Leid ersparen, wenn man das mit in Betracht zieht. Ein Händigkeitstest kann Aufschluss geben. Es gibt aber auch schon Anzeichen, die darauf hindeuten. Spiegelverkehrtes Schreiben, eine Raum-Lage-Labilität, das heißt Links-Rechts-Unsicherheit, feinmotorische Störungen, die sich in einem besonders krakeligen Schriftbild äußern können, sowie Sprachstörungen von Stammeln bis Stottern.

 

Dr. Johanna Sattler, die Leiterin der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder hat im Auer-Verlag eine Broschüre herausgegeben, die ich allen Kinder-Einrichtungen und Schulen nur empfehlen kann. In “Das linkshändige Kind – seine Begabungen und Schwierigkeiten” findet jeder ausführliche Informationen zum besonderen Umgang mit Linkshändern. Tipps, Folien und sogar einen vorbereiteten Vortrag, den man an einem Elternabend einfließen lassen kann.

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