Zerissen zwischen Kind und Beruf

Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat im Auftrag der Frauenzeitschrift „Brigitte“ eine Studie unter 25 – 35 jährigen Frauen durchgeführt. Das Ergebnis: Finanzielle Unabhängigkeit ist für Frauen wie Männern mittlerweile das wichtigste Ziel im Leben. Dafür verschieben Frauen sogar ihren Kinderwunsch weiter nach hinten.

 

Interessant dabei ist, dass anders als vor fünf Jahren, als diese Studie schon einmal durchgeführt wurde, auch immer mehr Männer der Ansicht sind, dass Frauen in der Lage sein sollten, sich selbst zu ernähren. Eine Abkehr vom alten Rollenmodell also? Ein gesellschaftlicher Wandel? Oder die Rückkehr zu einem Modell, dass es eigentlich schon einmal gab. Nämlich zu Zeiten, als ähnlich wie heute ein Einkommen nicht ausreichte, um die Familie zu ernähren. Man muss in der Geschichte gar nicht soweit zurückschauen, um das zu finden. Ein Blick in die ehemalige DDR reicht aus.

Abgesehen davon fördert diese Studie ein Dilemma zutage, in dem viele Frauen heute stecken. Denn 93 Prozent der Befragten gaben an, einen großen Kinderwunsch zu haben, weniger als die Hälfte von ihnen hat ihn bislang umgesetzt und fast alle sind sich einig, dass man als Mutter ins berufliche Abseits gerät. Was die Studie nicht aussagt, ist, ob sich diese Aussagen exakt so durch alle Schichten ziehen. Und sind Frauen heute wirklich mehr belastet als noch vor 5, 10, 50 oder 100 Jahren? Ganz ehrlich wage ich das zu bezweifeln. Kann es nicht eher sein, dass das eigene Rollenverständnis sich geändert hat? Dass die Anforderungen, die Frauen an das Leben und an sich selbst stellen, höher geworden sind? Gleichzeitig tun sich Frauen – das ist allerdings mein ganz subjektiver Eindruck – schwerer damit, wirklich um Hilfe zu bitten und sich zu organisieren.

Ein Beispiel. Ich bin in einem Mehrfamilienhaus aufgewachsen, in dem viele Kinder wohnten. Unsere Mütter gingen alle arbeiten. Also organisierten wir Kinder uns die Nachmittage, in dem wir gemeinsam etwas unternahmen. Die Türen der Wohnungen standen offen, man lief von einer zur anderen Etage und kam eine Mutter nach Hause, dann versorgte sie auch gern mal andere Kinder mit. Jetzt wohne ich wieder in einem Mehrfamilienhaus mit vielen Kindern. Aber die Türen sind zu. Und hinter den Türen sitzen Mütter, die sich fast dafür entschuldigen, wenn das eigene Kind mal auf die Idee kommt, sich im Haus zu verabreden oder bei anderen mitzuessen. Ich habe den Verdacht, dass wir Frauen etwas verlernt haben, das uns über viele Jahrhunderte durch alle Zeiten – ob hart oder nicht – getragen hat. Der wirkliche Gemeinschaftssinn. Ich kann es bei mir selbst beobachten, ich sehe es bei anderen. Was denken Sie? Ist die Belastung hausgemacht, ein gesellschaftliches Problem, oder am Ende doch nur auf mangelnde Förderung, Frauenquote und Frauendiskriminierung zurückzuführen? Ich freue mich auf Ihre Kommentare!

Kommentar hinterlassen