Wann braucht ein Kind mehr Förderung als andere? Sind Kinder, die emotional-soziale Störungen haben, schwieriger zu integrieren als Kinder mit einer Behinderung? Wo hört “normal” auf und wo fängt “gestört” an? Inklusion ist in dieser Woche ein Themenschwerpunkt des Stadtteilzentrums Steglitz. Denn nach wie vor ist vieles unklar. Inklusion lässt sich nicht so leicht umsetzen, wie die Politik es sich vorstellt. Oder doch?
Glaubt man Raúl Krauthausen, dem “Sozialhelden”, dann ist Inklusion ein Kinderspiel, das nur durch die in Deutschland übliche “Analyse der Paralyse” gebremst wird. In einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur, sagte er heute morgen: “Wir neigen dazu für jeden Sonderfall schon im Vorfeld eine Lösung zu haben, anstatt hinzunehmen, dass Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch anders ist. Wir werden keinen Masterplan für alle 80 Millionen Menschen haben. Sondern wir sollten einfach damit anfangen und dann gucken, was für Herausforderungen wirklich kommen. Und nicht die am Anfang schon theoretisieren.”
Mit seinem Buch “Dachdecker wollte ich nie werden” hat Raúl Krauthausen nicht nur behinderten Menschen Mut gemacht, sondern auch jenen, die ohne Handicap durch das Leben gehen, gezeigt, dass es die Barrieren, die viele, die sich selbst als “normal” betrachten, sehen oder aufbauen, überhaupt nicht geben müsste.
Dass Inklusion gelingen kann, zeigen unsere europäischen Nachbarn seit vielen Jahren, wie zum Beispiel Italien. Dort funktioniert es überwiegend so, dass für jedes einzelne Kind mit besonderem Förderbedarf zu Beginn des Schuljahres ein Entwicklungsplan aufgestellt wird. Zusätzlich gibt es Arbeitsgruppen aus Klassenlehrern, Pädagogen und Psychologen, die gemeinsam mit den Eltern und den Schülern diesen Plan besprechen.
In Berlin dagegen hat man nach wie vor kein einheitliches Konzept für die Umsetzung der Inklusion. Man tut sich schwer, mit dem “einfach machen”, weil das natürlich an gewisse Voraussetzungen gebunden ist. Hier und da gibt es Initiativen, doch am Ende scheitert vieles wieder am Geld. Dabei werden hier inzwischen fast 60 Prozent der förderbedürftigen Kinder an Regelschulen unterrichtet, Tendenz steigend. So verlagert die Politik das Problem einfach an die Schulen. Sie sollen die Kuh vom Eis holen, was nicht klappen kann, denn trotz steigender Anzahl an förderbedürftigen Kindern sinddie zur Verfügung stehenden Förderstunden gleich geblieben. Auch fehlt es immer noch an ausgebildetem Personal, an Schulhelfern und Erziehern.
Es wird also noch eine Weile dauern, bis aus dem Konzept Inklusion wirklich auch gelebte Inklusion wird. Wie lange? Das steht, wie so vieles in der Berliner Umsetzungspolitik in den Sternen.