Wer kassieren kann, kann auch erziehen? Wer schon lange arbeitslos ist, soll doch bitte schnell etwas für die Gemeinschaft tun und Kinder betreuen? Mit einem gewissen Staunen und einer gehörigen Portion Skepsis beobachte ich derzeit die Pläne, die neben dem Vorschlag, ehemalige Mitarbeiterinnen der Firma Schlecker zu Erzieherinnen umzuschulen, entstanden sind.
Um es gleich einmal vorweg zu nehmen – ich finde die Idee, Frauen, die arbeitslos geworden sind, schnell wieder eine Perspektive zu geben, gut.
Ich finde es auch gut, mehr Menschen in soziale Berufe zu bringen.
Was mir nicht gefällt, ist die Taktik, alles bzw. alle über einen Kamm zu scheren und damit Lücken zu füllen, die sich scheinbar nicht anders füllen lassen. Warum hinterfragt man nicht lieber, warum zum einen immer weniger junge Menschen sich für den Beruf eines Erziehers/einer Erzieherin entscheiden und zum anderen, ob die Pläne der Regierung, bis 2013 den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu realisieren, überhaupt umzusetzen sind. Das würde nämlich bedeuten, dass für 35 Prozent der unter Dreijährigen dann Krippenplätze zur Verfügung stehen müssten in Zahlen ausgedrückt 750.000 Plätze.
Der Haken: Dafür fehlen noch bis zu 40.000 Erzieherinnen und Erzieher. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass nun plötzlich das große Rätselraten darum beginnt, wie man das eigentlich schaffen will. Das Prinzip taucht meiner Wahrnehmung nach immer häufiger auf. Es wird etwas beschlossen, ohne das überhaupt jemand eine Ahnung davon hat, wie die Vorgaben erreicht werden können. Aber auf dem Papier sieht es zunächst einmal hübsch aus und in Wähler-Ohren klingt es sicher auch überzeugend.
Haben Sie Kinder, die in die Krippe oder den Kindergarten gehen? Dann wissen Sie sicher, dass der Arbeitsalltag einer Erzieherin alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Da kann die Einrichtung noch so bemüht sein, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Bezahlung ist für die geleistete Arbeit trotzdem schlecht und für den Betrag, den eine Erzieherin am Ende ihres vollen Arbeitslebens als Rente ausgezahlt bekommt, sollten wir uns kollegial schämen. 900 Euro dafür, dass sie ein ganzes langes Arbeitsleben lang Vollzeit unsere Kinder liebevoll betreut und die Gesellschaft ihr obendrein noch die Anerkennung verweigert, weil sie doch nur mit Kindern spielt, statt mit Aktien oder Autos zu handeln. Ist das vielleicht der Grund, warum kaum Männer diesen Beruf wählen und auch die Frauen immer weniger Lust darauf haben? Und lösen wir dieses Problem, in dem wir Frauen, die vielleicht etwas ganz anderes tun wollen, in Umschulungsmaßnahmen stecken? Die Tatsache, dass 70 Prozent der Teilnehmer solcher Quereinsteiger Qualifizierungsangebote durch die Prüfung fallen, spricht eine eigene Sprache.
Dass Schnellschüsse selten treffen, ist kein Geheimnis. Ich jedenfalls sehne den Tag herbei, an dem die Menschen, die an wichtigen Positionen sitzen, überlegte Entscheidungen treffen. Und ich hoffe, dass innerhalb unserer Gesellschaft, was die Anerkennung sozialer Tätigkeiten betrifft, ein Umdenken passiert. Vielleicht erlebe ich das ja sogar noch. Oder meine Kinder.
Ihre Jeannette Hagen