Das ist der Rat, den ich meinem Sohn gern geben würde. Den ich ihm schon gegeben habe, der jedoch irgendwie nicht so recht ankommen will. Damit Sie wissen, wovon ich hier überhaupt schreibe: Mein Sohn ist 19 Jahre alt, hat frisch sein Abitur in der Tasche und stand nun vor der Wahl, sich entweder sofort für einen Studienplatz zu bewerben, oder noch ein Jahr zu warten und die Zeit für sich zu nutzen.
Um es vorwegzunehmen – er hat sich dafür entschieden gleich durchzustarten und darf nun mit rund 33.600 anderen Bewerbern auf einen Studienplatz an der HU in Berlin hoffen. Das sind 3.600 mehr Bewerber als im letzten Jahr – nicht zuletzt begründet durch den doppelten Abiturjahrgang.
Abgesehen von diesen Zahlen, hätte ich mir für ihn gewünscht, dass er erst einmal die Gelegenheit nutzt, auf Reisen zu gehen, sich auszuprobieren, Jobs und Menschen kennenzulernen und so auf einer tiefen Ebene zu überprüfen, ob das, was er da gewählt hat, wirklich zu ihm passt.
Ich selbst berate seit über zehn Jahren Berufsaus- und umsteiger und weiß ein Lied davon zu singen, wie viele Menschen einen Beruf wählen, weil er ihnen von anderen empfohlen wird, weil ihnen selbst die Ideen fehlen, sie nach Sicherheitsaspekten entscheiden, aber selten, weil er dem eigenen Können und Wollen entspricht. Manchmal habe ich den Eindruck, es gibt Jugendliche, die investieren mehr Zeit in die Entscheidung, welches Handy sie sich als nächstes anschaffen, als in die Frage, welcher Beruf denn wirklich zu ihnen passt.
Dabei ist gerade die Zeit nach dem Schulabschluss so wertvoll und geradezu prädestiniert dafür, sich auf den eigenen Weg zu begeben. Ohne Fremdbestimmung zu spüren, zu fühlen, zu erfahren, was in einem steckt. Welche Fähigkeiten habe ich? Was macht mir wirklich Freude? Bei welchen Tätigkeiten vergesse ich die Zeit? Wann geht mein Herz auf? Welche Werte motivieren mich?
All das sind Fragen, die ich meist nur beantworten kann, wenn ich mich im Kontext mit unterschiedlichen Herausforderungen erlebe. Wenn ich mich ausprobiere, mir erlaube, unbekanntes Terrain zu betreten, mich im Spiegel der Interaktion mit anderen wahrnehme.
Ein Aufenthalt im Ausland, verschiedene Praktika, Jobs oder eine ausführliche Berufsberatung, die allerdings weit über das, was die Arbeitsagentur anbietet, gehen muss, können helfen, die Berufswahl auf feste Füße zu stellen. Was allerdings auch nicht bedeuten muss, dass dieser Beruf dann bis ans Lebensende ausgeübt wird. Wir verabschieden uns mehr und mehr von diesem Berufsmodell. Aber erfahrungsgemäß wird ein Studium oder eine Ausbildung seltener abgebrochen, das Studium schneller beendet und die Jobsuche fällt erfolgreicher aus, wenn man das verfolgt, wofür man buchstäblich gemacht oder geboren ist.
Und ich bin ganz sicher, dass es für jeden von uns eine Berufung oder zumindest den Beruf gibt, der nicht nur das Konto füllt, sondern auch die Möglichkeit gibt, sich mit dem eigenen Können einzubringen! Hinschauen lohnt sich also!
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Einrichtung des Stadtteilzentrums Steglitz hinweisen. Sie nennt sich GAP-PACK und bietet ein intensiven vier-monatigen Kurs für die Zeit nach dem Schulabschluss an! Mehr erfährst du HIER.
Ihre Jeannette Hagen