Meckern hilft nicht – oder doch?

Eigentlich wollte ich den Post nutzen, um Sie zu einem wunderbar und treffend geschriebenen Artikel über das neue Buch von Richard David Precht weiterzuleiten. Nun hat die Berliner Morgenpost ausgerechnet diesen Artikel kostenpflichtig gemacht, insofern lasse ich das, greife aber das Thema auf, denn in Prechts aktuellem Buch geht es um die Bildungspolitik unseres Landes.

Nun gebe ich es zu, ich bin kein großer Freund von Prechts Büchern. Besonders nicht von dem letzten, denn über 300 Seiten darüber zu schreiben, was alles in unserem Bildungssystem nicht funktioniert und damit aufrütteln zu wollen, ist für mich fraglich. Diese Ansicht teile ich mit dem Autor des besagten Morgenpostartikels, der sinngemäß meinte, dass man, statt das Buch zu lesen, lieber mit seinen Kindern spielen sollte, Seifenblasen machen oder mit ihnen Kuchen backen sollte, statt sich beim Lesen eine Depression einzufangen, weil doch alles so schlecht sei. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe setzt sogar noch einen oben drauf, in dem er die Thesen für realitätsfern erklärt und Precht jüngst einen „typischen Sofakritiker“ nannte.
Natürlich bringt Precht auch jede Menge Vorschläge. Die sind teilweise sicher sinnvoll und auch umsetzbar. Trotzdem stört mich eine gewisse marktschreierische Polemik mit der solche Themen immer häufiger von Autoren, die meinen, etwas zu sagen zu haben, angegangen werden. Ich bin nicht sicher, ob das in der Sache dienlich ist.
Was meinen Sie? Getreu dem Motto „Immer hau drauf!“ oder dann doch lieber „Meckern hilft nicht!“?
Vielleicht sollte man rückblickend lieber schauen, an welchen Stellen, wie und warum wirklich entscheidende Verbesserungen oder Neuerungen stattgefunden haben. Wer hat die initiiert? Wie sind die zustande gekommen?
Ich meine, jedem in diesem Land, außer vielleicht Herrn Rabe, ist klar, dass sich an unserer Bildungspolitik grundsätzlich etwas ändern sollte. Dass die Dinge, die gelehrt werden, teilweise getrost mit dem Stempel: „unnützes Wissen“ versehen werden können. Dass wir zwar die Wörter: „individuelle Förderung“ auf der Fahne tragen, am Ende aber doch von allen Kindern verlangen, dass sie einheitlich glänzen. Und das in einer Gesellschaft, in der sich das Individuum immer mehr weg von der Gemeinschaft entwickelt.
Das führt mich auf eine andere Spur. Vielleicht ist das Festhalten an diesen alten Strukturen ja der verzweifelte Versuch diesen Prozess der zunehmenden Individualisierung aufzuhalten? Denn vielleicht ist das ja politisch so nicht gewollt? Vielleicht ist Vielfalt doch nicht gewünscht, weil Individuen schwerer unter einen Hut zu bringen sind. Ich weiß, ich bewege mich damit ein wenig auf dem Pfad von Verschwörungstheorien. Und doch finde ich es auf jeden Fall überlegenswert. Zumal man es auch in anderen Bereichen wiederfindet. Ganz aktuell in der Beschränkung der Saatgutvielfalt durch die EU. Das klingt möglicherweise weit hergeholt. Oder aber nicht. Dann ist es gut, dass Leute wie Precht solche Bücher schreiben, damit wir uns nicht einlullen lassen.

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