Immer wieder kommt es vor, dass Menschen in Deutschland sich durch Kinderlärm belästigt fühlen. Manche gehen sogar vor Gericht, um sich ihr Recht auf Ruhe zu erstreiten. Vielleicht ein Relikt aus alten Zeiten, in denen es Kindern vielerorts tatsächlich verboten war, im Hof zu spielen. Auch ich kann mich erinnern, dass in dem Haus meiner Kindheit ein Schild hing: “Spielen im Hof verboten!”.
In Lankwitz gab es nun erneut solch eine Auseinandersetzung. Elf Anwohner hatten gegen die Vergrößerung des Spielplatzes im Döhlauer Pfad geklagt. Zu groß, zu laut, zu attraktiv. Die Klage wurde gestern abgewiesen mit der Berufung auf das 2011 reformierte Bundesimmissionsschutzgesetz, welches besagt, dass Kinderlärm im Regelfall nicht als schädliche Umwelteinwirkung einzustufen ist.
Dass es überhaupt immer wieder zu derartigen Streitigkeiten kommt, zeigt, wie wenig offen und tolerant viele Berliner respektive Deutsche sich gegenüber Kindern verhalten. Man merkt das schon, wenn man in einem Café oder Restaurant sitzt und die eigenen Kinder sich mal nicht preußisch regelkonform benehmen. Als Mutter wünscht man sich dann gern mal tief in den Boden, dabei sollte man lieber selbstbewusst sein und die, die sich durch Kinder gestört fühlen, in ihre Schranken weisen.
Ja Kinder sind manchmal laut. Sie sind auch mal respektlos. Sie sind lebendig, haben Ideen, auf die wir Erwachsenen nicht mehr kommen, weil wir arrogant genug sind, zu glauben, dass wir schon so viel wissen. Kinder werfen auch mal ein Glas um, sie kichern, sie schneiden Grimassen und wenn ihnen etwas nicht passt, dann schreien sie auch mal laut. Sie quietschen und jauchzen oder nölen. Und all das dürfen sie auch.
In einer Stadt wie Berlin ist der Raum, der Kindern zum freien Spielen und Toben zur Verfügung steht, auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Die Statistik sagt, dass der Radius, in dem sich Kinder bewegen, von rund zehn Kilometern in den 1920ern auf etwa zwei Kilometer geschrumpft ist. Trieben sich 1990 noch fast drei Viertel aller Kinder zwischen sechs und 13 Jahren täglich im Freien herum, so waren es 2003 bereits weniger als die Hälfte.
Man kann sich nicht auf der einen Seite darüber beklagen, dass die Kids heute ihre Zeit überwiegend sitzend und mit technischen Geräten ausgestattet verbringen, gleichzeitig aber jede freie Fläche, die das Potential für Entdeckungen und Abenteuer hätte, zubetonieren und dann noch von den Kindern preußischen Gehorsam und Schweigen verlangen. Das ist absurd. Und wer in einer Stadt wie Berlin wohnt, der hat von Hause aus kein privates Recht auf Ruhe, denn die Stadt ist laut und jeder Berliner ist Teil des Systems.
Ich jedenfalls freue mich sehr über die Entscheidung des Gerichts und hoffe, dass sie beispielgebend für ähnliche Fälle ist.