Na dann Prost!

Heute gibt es auf dem Zehlendorf-Blog vom Tagesspiegel einen interessanten Bericht über den Alkohol-Konsum von Zehlendorfer Jugendlichen. 6 Kästen Bier, mindestens fünf Flaschen Hochprozentiges, dazu Drogen aller Art, so sieht die Einkaufsliste für eine “Home-Party” mit zwölf Gästen aus. Sicher ist diese Umfrage nicht repräsentativ, dafür aber zunächst um so bedenklicher.

 

Natürlich sollte man sich als Erwachsener – eh man vorschnell urteilt- einmal an die eigene Nase fassen. Wie haben wir einst gefeiert? Haben wir weniger getrunken, geraucht, über die Stränge geschlagen? Ich erinnere mich an wilde Partys. Alkohol und Zigaretten gehörten dazu, Drogen nicht – vielleicht eine Beschaffungsfrage damals im Osten. Trotzdem – wir haben uns nicht getroffen, um Wettbewerbe im Komasaufen zu veranstalten, oder uns in einem Kotz-Battle zu messen, wie es heute üblich ist. Eine ebenfalls nicht repräsentative Umfrage unter Meinesgleichen hat ergeben, dass Alkohol zwar zum Feiern dazugehörte, nicht aber Sinn und Zweck der Treffen war. Man traf sich, um sich zu treffen, nicht um zu saufen. Ich glaube, das ist ein Unterschied.

 

Abgesehen davon. Aufrüttelnd finde ich die Begründung der Jugendlichen, warum sie sich teils so die Kante geben. Der Leistungsdruck, der auf dieser Generation lastet, ist enorm. Zumal sie kaum gelernt haben, damit umzugehen, gehören sie doch zu den ersten Jahrgängen, die in Pekip-Gruppen gesteckt, mit Mozart beschallt, im zarten Babyalter mit englischen Vokabeln zugetextet und gleichzeitig von allem Unbill dieser Welt ferngehalten wurden. Natürlich alles mit dem Ziel, aus ihnen fleißige, soziale und gebildete Erwachsene zu machen und ihnen alle Türen zu öffnen, damit sie es später gut haben. Dass wir mit diesem Überengagement auch einen immensen Erwartungsdruck aufgebaut haben, dem viele Jugendliche nicht oder nur schwer standhalten können, lässt sich an solchem Verhalten, wie dem Komasaufen ablesen. Ich bin überzeugt, dass das die Rebellion der heutigen Jugend gegen unseren Förderwahn und unsere Leistungsgesellschaft ist.

 

Gott sei Dank nur eine. Aber sie steht ganz klassisch für Verweigerung.
Da hilft es dann auch nicht, den Zeigefinger zu erheben und auf die Folgen aufmerksam zu machen. Auch hat Prävention, wie in dem Artikel beschrieben, wenig Erfolg. Aufgeklärt sind die Jugendlichen. Noch nie hatte eine Generation es so leicht, an Informationen heranzukommen. Sie kennen die Risiken und gehen sie bewusst ein. Und das ist der Punkt, der uns aufhorchen lassen sollte. Denn eigentlich ist es doch ein Hilfeschrei. Auf mich wirken die Jugendlichen von heute teilweise sehr “lost”. Ausgestatten mit allem, aufgewachsen in Frieden, in einem der reichsten Länder der Erde, mehr oder weniger behütet, aber auf keinen Fall bedroht. Und trotzdem sind die wenigsten richtig glücklich und zufrieden. Trotzdem wissen viele nicht, was sie mit ihren Gaben und Talenten anfangen wollen. Trotzdem fühlen sich viele überlastet.

 

Aber, wenn man mal weiterdenkt – vielleicht liegt darin – wenn wir zum Dialog finden – auch die Chance für uns alle. Die junge Generation, das sind und waren schon immer die Rebellen, die Veränderer, die, die das Rad der Geschichte weiterdrehen. Und vielleicht gelingt es uns ja mit ihrer Hilfe, aus dem Hamsterrad des “Immer schneller, immer höher, immer besser” Lebens auszubrechen, dem wir Erwachsenen ja selbst auch kaum noch standhalten können, wenn wir mal ehrlich sind.

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