Kinder in Not

Können Sie sich das vorstellen? In Berlin werden pro Tag durchschnittlich zwölf Fälle von Kindswohlgefährdung, wie es im Amtsdeutsch heißt, von den Bezirksjugendämtern festgestellt. Zwölf Fälle pro Tag! Als ich heute beim Durchblättern der Presse über diese Zahl gestolpert bin, wollte ich es kaum glauben.

 

Das liegt sicher daran, dass ich nicht wie zum Beispiel ein Mitarbeiter vom Jugendamt, oder jemand aus einer Jugeneinrichtung, der tagtäglich mit Kindern arbeitet oder mit solchen Fällen konfrontiert wird, nah dran bin, sondern solche Meldungen eher am Rande wahrnehme und dann natürlich entsetzt bin.

Vereine und Träger weisen angesichts solcher Zahlen schon lange auf die Notwendigkeit eines besseren Hilfesystems hin, nun zieht auch die Senatsjugendverwaltung nach und fordert einen besseren Kinderschutz durch Prävention und Kooperation. Eltern sollen mehr eingebunden, besser betreut werden, denn schließlich geht die Kindswohlgefährdung ja von ihnen aus. So ist es wichtig, Anlaufstellen zu schaffen, Ansprechpartner bereitzustellen, die eingreifen können, bevor Eltern überfordert sind und ihre eigene Not an den Kindern auslassen. Eine Maßnahme sind die sogenannten „Familienhebammen“ die frühzeitig in die Familien gehen und Beratung anbieten. Da Eltern selten von sich aus einsehen oder erkennen, dass sie Hilfebedarf haben, soll der Schwerpunkt auf der „aufsuchenden Elternhilfe“ liegen.

 

Für mich ein zweischneidiges Schwert, denn es trägt den Anstrich von „Überwachung“. Allerdings in einer Gesellschaft, die – besonders in Großstädten – nur noch eine lose Verbindung einzelner Individuen darstellt und in der kaum noch jemand auf den anderen achtet, wenn er nicht gerade zum direkten familiären Umfeld gehört, scheint es wohl kaum anders machbar. Dann muss jemand von außen kommen und die Rolle übernehmen, die in früheren Zeiten die Gemeinschaft erfüllt hat. Eine Tendenz, die ja auch in anderen Lebensbereichen zu beobachten ist.

 

Am Ende zählt das Wohl der Kinder. Und wenn es nicht anders zu realisieren ist, dann führt wohl zunächst kein Weg daran vorbei, dem Staat oder den Organisationen die Verantwortung zu geben. Gesund im Sinne einer funktionierenden Gemeinschaft ist das auf Dauer sicher nicht. Aber angesichts solcher Zahlen schlichtweg notwendig.

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