Wohlstandsverwahrlosung. Was für ein seltsames Wort. Ist nicht Wohlstand das, wonach die meisten von uns streben? Heißt Wohlstand nicht, ein Leben jenseits von finanziellen Sorgen und Nöten zu führen – also alles zu haben außer Probleme? Als ich vor ein paar Tagen den Tagesspiegel-Artikel las, in dem Redakteur Armin Lehmann das Problem der Wohlstandsverwahrlosung in Steglitz-Zehlendorf thematisierte, wurde mir klar, wie gut und richtig es ist, diesem Phänomen Öffentlichkeit zu geben.
Wohlstandsverwahrlosung. Im Artikel heißt es: „In Steglitz-Zehlendorf sind auch in den sozial gering oder gar nicht belasteten Gegenden immer mehr Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert.“ Staunend schüttelt man den Kopf. Überlegt, wie das denn sein kann. Denkt über die eigenen Ziele und Träume nach. Ist es nicht toll, wenn Geld keine Rolle spielt? Wenn man nicht jeden Cent drei Mal umdrehen muss, bevor man ihn ausgibt und wenn man den Kindern alles bieten kann, was sie sich wünschen?
Scheinbar nicht.
Gut so.
Denn es zeigt: Auch wenn wir dem Geld, dem Wohlstand in unserer Gesellschaft solch einen hohen Stellenwert gegeben haben – letztendlich kann er das, wonach wir Menschen uns eigentlich sehnen, nie ersetzen: Liebe und Fürsorge. Und es zeigt auch, dass es wenig Sinn macht, unseren Kindern dieses Wohlstandsdenken aufzudrängen.
Es gab vor einiger Zeit eine Untersuchung oder Studie, mit deren Hilfe man herausfinden wollte, wie viel Geld der Mensch wirklich braucht, um glücklich zu sein. Erstaunlicherweise liegt diese Summe weit unter dem, was viele Menschen für erstrebenswert halten, nämlich bei 20.000 Euro. Die Glücksforschung hat herausgefunden, dass ab einem bestimmten Einkommen – also ab besagten rund 20.000 Euro netto pro Jahr – die Steigerung des Gehalts oder des Einkommens nicht automatisch mit einer Steigerung des Glücksempfindens einhergeht.
Warum nicht? Weil wir uns an den Zustand gewöhnen und weil wir mit aller Macht bestrebt sind, immer mehr zu haben, für den Fall, dass sich an dem erreichten Zustand etwas ändern könnte. Das erzeugt Druck. Druck, den Eltern unter anderem auch an ihre Kinder weitergeben, die es natürlich später genaus „gut“ haben sollen. Dabei fragen die wenigsten, ob die Kinder das denn überhaupt wollen. Und dabei vergessen die meisten, dass Kindern nicht damit gedient ist, dass das Kinderzimmer überfüllt ist mit Spielsachen, die Eltern aber überhaupt keine Zeit mehr finden, mit den Kindern mal zu spielen.
Nun könnte man argumentieren, dass das ja früher auch nicht gang und gäbe war, dass Eltern sich mit den Kindern auf den Spielteppich gesetzt haben. Und man könnte argumentieren, dass doch heute die Eltern viel mehr ums Kind kreisen als noch vor einigen Jahren. Beides stimmt. Nur gab es früher eine Gemeinschaft und es gab elterliches Vertrauen, das heutzutage durch Überwachung und Einmischung ersetzt wird.
Beides ist leider Mangelware in der heutigen Zeit.
Und so wird sich die Spirale sicher weiter drehen. Vielleicht so lange bis wir uns wieder auf den Kern dessen besinnen, was mit Wohlstand eigentlich gemeint ist: ein individueller positiver Zustand, der sich aus materiellem und immateriellem Reichtum zusammensetzt.