Generation der Egomanen?

Gestern teilte ich auf Facebook einen Artikel in dem der Kinderpsychiater und Autor Michael Winterhoff beklagte, dass Eltern derzeit eine Generation von Egomanen und Narzissten heranzögen. Er mahnt in dem Interview an, dass wir – wenn das so weitergeht – unsere Kinder irgendwann hassen werden. Provokativ aber spannend dachte ich und löste mit dem Posting eine interessante Debatte aus.

 

 

Winterhoff stützt seine These natürlich vorrangig auf das, was er in seiner Praxis tagtäglich beobachtet. So sagt er in dem Beitrag zum Beispiel: “1995 hatten wir zwei auffällige Schüler pro Klasse, heute sind es zwei, die unauffällig sind. ” Klar, dass sein Fokus auf dem liegt, was er sieht und erlebt. Und trotzdem fühlen sich viele Eltern durch seine Behauptungen in die Ecke der Schuldigen gedrängt und empfinden das, was er schreibt und sagt als Anfeindung, zu pauschal oder Rückfall in alte Erziehungsmodelle, bei denen Ordnung und Disziplin, Maßregelung und Bevormundung Werkzeuge waren.

 

Dabei vermischen sich meiner Ansicht nach Prozesse, die auf der Ebene des gesellschaftlichen und persönlichen Wandels liegen. Es geht um Verantwortung und um Vertrauen. Wenn ein Uli Hoeneß als eine Person des öffentlichen Lebens nicht den Arsch in der Hose hat, zu seinen Verfehlungen zu stehen, wenn Justiz und Politik für alle Bürger sichtbar Vorgänge tolerieren, die nach gemeinschaftlichem und rechtlichem Verständnis nicht tolerierbar sind, wie können wir denn dann von unseren Kindern erwarten, dass sie zu den Konsequenzen ihres Handelns stehen? Und Hoeneß ist ja nur ein Beispiel. Am Ende bringt die Gesellschaft genau die Kinder hervor, die zum Wesen dieser Gesellschaft passen. Darum macht man es sich zu leicht, wenn man die Eltern an den Pranger stellt. Und man vergisst – wie eine Teilnehmerin der kleinen Debatte auf Facebook zurecht bemerkte – dass es wenig hilfreich ist, Horrorszenarien zu entwerfen, sprich: den Teufel an die Wand zu malen, statt gängige Lösungsansätze zu bieten.

 

Die liegen wiederum auch nicht nur im Eltern-Kind-Gefüge sondern finden sich in dem, wie wir alle gemeinsam in diesem Land mit bestimmten Themen umgehen. Ganz gleich ob kinderlos oder kinderreich. Winterhoff spricht davon, dass Kinder Erwachsene brauchen, die in sich ruhen. Gut gebrüllt Löwe. Das geht doch in der heutigen Zeit kaum noch. Wir erleben einen Wandel, der es in sich hat. Wenn ich mich umblicke, dann brechen gerade im Großen wie im Kleinen Strukturen weg, die lange Zeit als Halte- und Orientierungspunkt dienten. Da fällt es schwer, in sich zu ruhen. Ich sehe viel Aufruhr.

 

Dazu kommt, dass die Angst zu versagen bei vielen Menschen immer größer wird. Etwas falsch zu machen, einen Fehltritt zu landen und damit aus der Reihe zu tanzen, das ist irgendwie ziemlich angstbesetzt. Wir wollen auf keinen Fall schuldig sein. Darum verschlingen so viele Eltern Ratgeber noch und nöcher, um am Ende ziemlich ratlos zu sein, weil das Leben sich eben selten an Ratgeber hält.

 

Was denken Sie, was wäre eine Lösung für das Dilemma, was der Kinderpsychologe beklagt. Oder sind Sie gänzlich anderer Meinung. Ist das alles übertrieben? Wir freuen uns auf Ihre Beiträge.

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