Platzmangel – wenn der Hort zur Aufbewahrung verkommt

Manchmal, wenn ich meine jüngste Tochter am frühen Nachmittag schon aus dem Hort abhole, wenn es draußen regnet und so ziemlich alle Hortkinder sich in den zwei vorhandenen Räumen drängen, frage ich mich, ob ich das alles richtig mache. Ob der Hort nicht eine Tortur für mein Kind ist, diese Enge, dieser Lärm – überhaupt das Gefühl mit so vielen Kindern zusammengequetscht zu sein. Leider muss ich den Gedanken, sie dort abzumelden mangels Alternative immer wieder abwählen, was nichts daran ändert, dass ich diese Zustände für die Kinder und die Erzieher eigentlich unzumutbar finde. Das Problem ist in Berlin – das heißt in der Senatsbildungsverwaltung durchaus bekannt.

 

Auch die Tatsache, dass die Anzahl der Kinder, die betreut werden müssen,  kontinuierlich steigt, lässt sich ja früh anhand von Statistiken ablesen. Das reicht aber scheinbar noch nicht aus, um etwas in Bewegung zu setzen. Andreas Oesinghaus, Arbeitsbereichsleiter schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. dazu: “Das Raumproblem ist uns seit vielen Jahren bekannt. Dieses beruht aber nicht nur auf steigenden Schülerzahlen, sondern hat auch gesellschaftliche Hintergründe. So gibt es mehr Alleinerziehende und in vielen Familien müssen heute beide Eltern arbeiten, wo früher das Einkommen von einem ausgereicht hat. Aber es gibt noch einen anderen Punkt – viele Eltern waren  sehr zufrieden mit den Ganztagsangeboten von Schulen und Trägern, so dass das Vertrauen und die Kundenzufriedenheit in den letzten Jahren messbar gestiegen sind. Das hat sich herumgesprochen und so wurden immer mehr Kinder angemeldet.”

“Seit der Übertragung der Horte von den Kitas an die Schulen im Jahr 2005 hat sich die Quote der Hortkinder an vielen Schulen verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht”, sagt Cerstin Richter-Kotowski(CDU), Bildungsstadträtin von Steglitz-Zehlendorf dazu in einem Interview mit der Berliner Morgenpost.

 

Für diese hohe Anzahl von Kindern beziehungsweise Hortkindern sind die Räume, die in den Schulen zur Verfügung stehen, allerdings nicht ausgelegt. So kann das sogenannte Raummusterprogramm, das pro Klasse zwei Räume vorsieht (Fachräume, Klassenräume und Horträume) , immer seltener eingehalten werden. Das führt dazu, dass nun teilweise Klassenräume mit als Horträume genutzt werden, was eigentlich nicht gewollt ist, schließlich sollen sich die Kinder doch nicht den ganzen Tag im selben Raum aufhalten. “Seit 2005 gibt es immer fortlaufende Gespräche mit der Senatsschulverwaltung und den freien Träger der Wohlfahrtsverbände, die dieses Thema problematisiert haben, ohne das es zu wesentlichen Verbesserungen kam. Einerseits gibt es das Raummusterprogramm, welches sich in der Praxis als unwirksam erwiesen hat und dann die in der SchüFöVo (Schülerförderungs- und Betreuungsverordnung) verankerte Empfehlung von 3 qm“ pädagogische Nutzfläche pro Kind – diese Aussage hat allerdings keine rechtliche Bindung.” so Oesinghaus.

 

Und die Qualität der Betreuung? Die leidet natürlich darunter, was oft nicht nur an dem Platzmangel an sich liegt, sondern auch daran, dass – wenn die Schule den Hort organisiert – sie keinen direkten Bildungsauftrag mehr umsetzt. Das bestätigt auch Andreas Oesinghaus: “Insgesamt besteht das Problem aus meiner Sicht nach wie vor aus dem zu großen Teilen nicht umgesetzten Verständnis der offenen Ganztagsgrundschule. Das Bildungsprogramm für die offenen Ganztagsgrundschule hat keine rechtliche Bindung (anders als bei den Kitas). Schulen verstehen sich alleine als Schule (belehrend) und nicht wirklich als Lebensort für Kinder und Jugendliche. Die EFöB (Hort) ist oft immer noch ein „Anhängsel“, ein angedocktes System – so das es für allen Beteiligten sehr schwierig ist, den gemeinsamen Lebensort zu entwickeln und die Schulen im Raumkonzept umzugestalten.”

Trübe Aussichten für die Berliner Hortkinder und auch für die Eltern. Bei uns sieht es so aus, dass wir nachmittags nur noch selten zum Spielen kommen, weil neben den sportlichen Aktivitäten auch noch die Hausarbeiten erledigt werden müssen. Und manchmal ist meine Tochter so erschöpft, dass sie nach so einem Hortnachmittag einfach auf dem Sofa einschläft. Ich frage sie dann, ob sie sich denn im Hort ausruhen kann. “Nein Mama, dort haben wir keine Ruhe-Ecke und außerdem ist es viel zu laut” so ihre Antwort.

 

Was wir Eltern tun können, um etwas zu verändern, frage ich Andreas Oesinghaus. “Sich engagieren- Elternvertreter werden, Mitglied der Gesamtelternvertretung der Schule werden und das Thema immer wieder politisieren – im Bezirkselternausschuss und im Landeselternausschuss.” Ich persönlich finde, es muss noch einen anderen Weg geben. Es kann doch nicht sein, dass alles, was in diesem Land mit Verbesserung der Bildung, der Situation von Kindern und Erziehern zu tun hat, nur mit Protest durchzusetzen ist. Aber da fische ich selbst im Trüben und kann meinen Blick nur neidvoll in andere Länder richten, wo man verstanden hat, dass Bildung, Erziehung und Betreuung bedeutende Wirtschafts- und Zufriedenheitsfaktoren sind.

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