Das Thema Mobbing kreativ auf die Bühne gebracht – Cut – das Musical

Ich weiß noch genau wie es war, als mein Sohn – damals in der 8. Klasse eines Tages nach Hause kam, seine Schulmappe in die Ecke schmiss, sich unter seinem Hochbett auf den Sitzsack fallen ließ und bitterlich anfing zu weinen. Dieser damals schon große Kerl schluchzte herzerweichend und als ich ihn fragte, was denn los sei und er erzählte, schnürte es mir das Herz noch mehr zusammen.

 

“Fettes Walross” hatten sie ihn immer wieder genannt, hatten ihn durch die Klasse geschubst, seine Schulsachen in den Müll gekippt. Drei Jungs, die es über zwei Schuljahre fertigbrachten, andere Kinder zu tyrannisieren, zu mobben, fast bis zur Verzweiflung zu treiben. Und der Rest der Klasse? Der sah zu. Niemand wollte Stellung beziehen. Niemand die, die gemobbt wurden, in Schutz nehmen.
Und die Schule? “Jedes Kind ist eine Aufgabe” stand über der Tür des Lehrerzimmers. An dieser Stelle haben sie gründlich versagt. Erst als die Klasse aufgeteilt wurde, weil einige Eltern bereits die Reißleine gezogen hatten, kehrte so etwas wie Ruhe ein. Und erst als unser Sohn die Schule wechselte, konnte er seinen Frieden und die Freude am Schulalltag wiederentdecken. In einer Klassengemeinschaft, die Mobbing gar nicht erst zuließ.

 

Mobbing ist meist dort zu finden, wo Menschen aufeinandertreffen und über einen längeren Zeitraum gemeinsam Zeit verbringen. Kindergarten, Schule, Beruf, Familie, Freizeit. Neulich las ich ein Interview in der Berliner Zeitung mit dem Leiter der Sophie-Scholl-Schule Klaus Brunswicker.  Auch er griff das Thema Mobbing auf: “Was uns besorgt, sind weniger offensichtliche Probleme: das kleine fiese Mobbing. Vielleicht ist das Wort schon zu hochgegriffen. Auch Sticheleien können dazu führen, dass sich Schüler unwohl fühlen. Da arbeiten wir eng mit dem Schulpsychologen zusammen. Es ist wichtig, rechtzeitig zu reagieren. Aber da wir zehn Erzieher und Sozialarbeiter an der Schule haben, geht das recht gut.” Gut, wenn das dort so funktioniert.

 

Kinder und Jugendliche seien gnadenlos, wird oft gesagt. Ich bin der Meinung, dass es keinen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen gibt. Aber es gibt Unterschiede in der Art damit umzugehen. Das Mobbing zu thematisieren. Die Bereitschaft zu zeigen, es überhaupt an die Oberfläche zu holen. Meist ist das ein guter Anfang, um bei allen Beteiligten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was da eigentlich passiert. Wie es den Menschen geht. Was und wer hinter dem Mobbing und dem gemobbt werden steht. Doch wie gesagt, es ist nur ein Anfang.

 

Das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. als Kooperationspartner der Giesendorfer Grundschule ist weitergegangen und hat im letzten Monat mit einem großartiges Projekt Mobbing nicht nur thematisiert, sondern für alle Beteiligten und Zuschauer fühl- und erlebbar gemacht. “Cut – das Musical zum Thema Mobbing” so der Titel. Ziel des Projektes war es, Kinder bereits frühzeitig für das Thema Mobbing und den Umgang mit Verantwortung und Schuld zu sensibilisieren um die gegenseitige Akzeptanz zu stärken.

 

Ob das gelungen ist? Ich frage Kristoffer Baumann, Projektleiter des Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum KiJuNa und Mitorganisator des Musicals.

 

Wie haben die Vorbereitungen und die Aufführung die Kinder verändert? War das spürbar?

 

 
“Die Kinder haben sich bereits vor der Aufnahme der Arbeit am Musical im Rahmen schulischer Projektarbeit intensiv mit dem Thema Mobbing auseinandergesetzt. Die Arbeit am Musical forderte den Einsatz des vorher erlangten theoretischen Wissens und dessen Umsetzung in praktische Situationen. Die Projektteilnehmer haben sich merklich aktiv mit den handelnden Protagonisten auseinandergesetzt. Sie entwickelten eine starke Empathie mit Billy, dem Opfer von Mobbingattacken im Stück. Auch Kinder, die sonst eher auf der anderen Seite stehen, entwickelten ein Verständnis für die Gefühle von Billy. Teilweise erkannten sich Autoren und Schauspieler in den Charakteren der Geschichte wieder.”

 

Und nach der Aufführung?

 

“Nach der Aufführung war gerade das auch eine Kernaussage der meisten Stimmen aus dem Publikum. Eltern, die sichtlich betroffen wirkten weil sie sich und bestimmte Floskeln, die sie selbst anwenden, wiedererkannten. Im großen und ganzen hat das Stück sowohl Teilnehmer als auch die Zuschauer stärker zum Nachdenken angeregt als ich das im Vorfeld für möglich gehalten habe. Auch zwei Wochen nach dem Projekt gibt es immer wieder Rückmeldungen von Leuten, die sich im Nachgang noch mit dem Stück auseinandergesetzt haben und uns immer wieder auf Ideen bringen, wie wir das Stück zukünftig noch optimieren können. Das zeigt, dass die Wirkung des Musicals sein Ziel nicht verfehlt hat.”

 

Würdest Du anderen Schulen zu solch einem Projekt raten und warum?

 

“Auf jeden Fall würde ich anderen Schulen dazu raten, sich auf kreative Art und Weise mit dem Thema Mobbing auseinanderzusetzen. Der reine theoretische Input reicht häufig nicht aus um tatsächlich etwas in den Köpfen von Kindern und Eltern zu bewegen. Mit einem Augenzwinkern rate ich aber jeder Schule, sich bei uns zu melden, damit wir (vielleicht als Einstieg in eine schulische Projektarbeit) mit unserem Musical die Schule besuchen und es vor Schülerschaft, Lehrern und Eltern aufführen. So geben wir allen Schulen die Möglichkeit, sich durch unser Projekt inspirieren zu lassen.”

 

Das, was Kristoffer Baumann sagt, kann ich nur noch einmal unterstreichen. Es ist etwas anderes sich in Rollen zu begeben, Situationen nachzuspüren und zu fühlen, als nur darüber zu reden. Und ich hätte mir damals für meinen Sohn gewünscht, das es andere Angebote für die Schüler der Klasse gegeben hätte, als ein Gespräch mit der Klassenlehrerin, nach dem im Grunde alles so blieb, wie es vorher war.

 

Insofern: Wenn Sie interessiert sind, wenden Sie sich bitte an das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. an Kristoffer Baumann, den Sie unter der Rufnummer 030 / 75 51 67 39 oder unter info@stadtteilzentrum-steglitz.de erreichen.